Die Revolution des Solarpakets 1: Warum es so viel verändern wird

Die Zielsetzung

Deutschland hat sich das ambitionierte Ziel gesetzt, bis 2045 treibhausgasneutral zu werden. Um diese Mission zu verwirklichen, muss der Stromsektor bereits bis 2035 weitestgehend auf die Emission von Treibhausgasen verzichten. Bis 2030 soll der Anteil erneuerbarer Energien am Bruttostromverbrauch auf 80 Prozent anwachsen, und das trotz eines steigenden Stromverbrauchs durch die Dekarbonisierung anderer Sektoren. Das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG 2023) hat die Ausbaupläne entsprechend angepasst und wichtige Maßnahmen zur Beschleunigung des erneuerbaren Energienausbaus umgesetzt. Mit dem Solarpaket 1 werden zusätzliche Maßnahmen ergriffen, um den Ausbau und die Beschleunigung der Photovoltaik voranzutreiben.

So sollen die Ziele erreicht werden

Um die Ausbauziele für erneuerbare Energien zu erreichen, sind beträchtliche Anstrengungen erforderlich. Bis zum Jahresende 2022 waren in Deutschland insgesamt knapp 150 Gigawatt (GW) an Kapazität zur Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien installiert. Die Photovoltaik trug dabei mit 67,4 GW einen Anteil von etwa 45 Prozent zur Gesamtkapazität bei. Nach einem Rückgang des jährlichen Zuwachses zwischen 2014 und 2017 konnte dieser seitdem deutlich gesteigert werden und erreichte 2022 etwa 7,3 GW.

Um die im EEG 2023 festgelegten Ziele zur Steigerung der installierten Leistung von Solaranlagen bis 2040 zu erreichen, strebte man 2023 einen Zubau von 9 GW (2023) an, gefolgt von 13 GW (2024) bzw. 18 GW (2025). Im Jahr 2026 soll der jährliche Zubau sogar auf 22 GW erhöht und in den folgenden Jahren auf diesem Niveau stabilisiert werden. Dabei ist geplant, dass mindestens die Hälfte des Zubaus als Dachanlagen erfolgt, um sowohl die Kosten als auch die verbrauchernahe Stromerzeugung und die Flächenschonung zu berücksichtigen.

Ein beschleunigter Ausbau erneuerbarer Energien ist der Motor für die Transformation zur Klimaneutralität. Gleichzeitig müssen alle Teile des Stromsystems, einschließlich des Einsatzes von erneuerbarem Strom in den Bereichen Wärme, Verkehr und Industrie, gut aufeinander abgestimmt sein, um eine sichere, bezahlbare und klimaneutrale Stromversorgung zu gewährleisten. Die Regelungen des Solarpakets I sollen zu beiden Zielen beitragen: Sie sollen den Ausbau der Photovoltaik erleichtern und beschleunigen und gleichzeitig das Gesamtsystem der Energieversorgung optimieren.

Das ändert sich für mich als Bürger

Um die Nutzung von Steckersolargeräten, auch bekannt als „Balkon-PV“, zu erleichtern und die Beteiligung an der Energiewende zu fördern, werden die bestehenden Regelungen weiter vereinfacht. Zukünftig ist nur noch eine Meldung im Marktstammdatenregister erforderlich, um ein Steckersolargerät zu installieren – die Meldung beim Netzbetreiber entfällt. Zudem wird die Meldung im Marktstammdatenregister erheblich vereinfacht. Es werden auch spezielle Regelungen für die Zusammenfassung von Steckersolargeräten eingeführt, um die Nutzung so einfach wie möglich zu gestalten und unerwünschte Wechselwirkungen mit anderen Balkon-PV-Anlagen oder Dachanlagen auszuschließen.

1. Keine Anmeldung beim Netzbetreiber (für Balkon-PV)

Steckersolargeräte müssen nicht mehr beim Netzbetreiber (Stadtwerke) gemeldet werden. Man schätzt, dass jährlich etwa 200.000 Steckersolargeräte installiert werden. Davon entfallen voraussichtlich etwa 90 Prozent auf Privatpersonen. Bisher musste jede Installation beim Netzbetreiber gemeldet werden und zusätzlich im Marktstammdatenregister, was etwa 20 Minuten pro Fall dauerte. Diese doppelte Anmeldung entfällt nun und darüber hinaus wurde die Registrierung im Markstammdatenregister für Balkonkraftwerke seit dem 01. April 2024 stark vereinfacht.

2. Die Beauftragung des Stromzählerwechsels von Analog (Ferraris-Zähler) auf Digitalzähler erfolgt nun automatisch durch die Bundesnetzagentur (Marktstammdatenregister) und nicht mehr durch den Bürger, also den Anschlussnehmer


Innerhalb von vier Monaten nach Aufforderung durch die Bundesnetzagentur müssen moderne Messgeräte, entweder als Zweirichtungszähler oder als intelligentes Messsystem, für Steckersolargeräte installiert werden. Dies wird von den Stadtwerken / Netzbetreibern durchgeführt, ohne dass der Anschlussnehmer dies separat beauftragen muss.

Da oft Photovoltaikanlagen mit Steckersolargeräten kombiniert werden, müssen moderne oder intelligente Messgeräte vorhanden sein. Bisher lag es im Ermessen der Stadtwerke, die oft auch Netzbetreiber sind, ob Zähler ausgetauscht werden.

In vielen Fällen sind bereits moderne Messgeräte vorhanden oder wurden ohne zusätzliche Anfrage ausgetauscht. Die flächendeckende Einführung moderner Messgeräte bis 2032 wird bereits durch das Messstellenbetriebsgesetz vorgeschrieben.

3. Duldungspflicht bei der Verlegung von Leitungen

Es wird frei davon ausgegangen, dass Privatpersonen nur in 10 Prozent der Fälle durch das Verlegen von Leitungen betroffen sind. Natürlich sollte die Leitungsverlegung nur im zumutbaren Rahmen stattfinden.

Paragraf 11a Absatz 1 und 2 führt die Duldungspflicht für Eigentümer und Nutzungsberechtigte eines Grundstückes bei der Errichtung, Instandhaltung und den Betrieb von Leitungen (Anschlussleitungen) und sonstigen Einrichtungen zum Anschluss von Anlagen in Bezug zur Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien ein. Des Weiteren wird eine Entschädigungszahlung von 5 Prozent festgeschrieben.
Bisher war es üblich, dass der Betreiber der Anlagen das Vorhaben mitteilt bzw. verkündet (z. B. durch die Verkündung in der Gemeinde) und im Zuge von Vereinbarungen (u. a. Verträge und Grundbucheintragungen nach BGB, EnWG oder NABEG) eine Übereinkunft mit den Betroffenen findet. Diese Vereinbarungen fallen folglich weg

4. Garten-PV-Anlagen

Gemäß § 48 Absatz 1 Satz 1a des EEG 2023 dürfen Garten-PV-Anlagen nur gebaut werden, wenn das vorhandene Gebäude nicht für eine Solaranlage geeignet ist. Die genaue Definition der „Nicht-Eignung“ wird in einer Verordnung gemäß § 95 Nummer 3 festgelegt. Es kann in solchen Fällen nunmehr auch für PV-Anlagen im eigenen Garten die gesetzliche Einspeisevergütung in Anspruch genommen werden.

5. Vereinfachung der MaStR-Meldung für Balkon-PV

Durch die Neufassung der Anlage zur Marktstammdatenregisterverordnung werden die bei Balkon-PV anzugebenden Daten auf ein Minimum reduziert.

6. Mieterstrom für Nicht-Wohngebäude

Speist die Solaranlage den erzeugten Strom gar nicht erst ins öffentliche Netz ein, sondern leitet ihn direkt an die Mieterinnen und Mieter der Wohnungen im selben Gebäude oder Quartier weiter, wird dieser Solarstrom auch „Mieterstrom“ genannt.

Im Vergleich zum Strombezug aus dem öffentlichen Netz hat Mieterstrom einige Vorteile, wie das Wegfallen von Kosten wie Netzentgelten, Umlagen und Stromsteuern. Doch dafür entstehen für den Anbieter des Mieterstromtarifs zusätzliche Kosten durch Zähler, die Gewinnung von Kunden und die Abrechnung. Außerdem muss für Mieterstrom die EEG-Umlage gezahlt werden. Um diese höheren Kosten auszugleichen, gibt es eine Förderung für jede Kilowattstunde Mieterstrom, den sogenannten Mieterstromzuschlag. Dieser Zuschlag wurde mit dem EEG 2017 eingeführt, um Mieterstrom wirtschaftlich attraktiver zu machen.

Die Installation einer Solaranlage und eines Mieterstromtarifs kann die Immobilie für den Vermieter aufwerten. Mieter können im Mieterstromtarif mindestens zehn Prozent ihrer Stromkosten im Vergleich zur Grundversorgung sparen. Wichtig ist zu beachten, dass der Eigentümer der Solaranlage und der Stromverbraucher beim Mieterstrom nicht identisch sind. Wenn ein Hausbesitzer eine Solaranlage auf dem eigenen Dach installiert und den erzeugten Strom selbst verbraucht, wird dies als Eigenversorgung bezeichnet.

Die neue gesetzliche Regelung erlaubt es nun, Solaranlagen auch auf Nicht-Wohngebäuden zu installieren, solange weder der Anlagenbetreiber noch der Endverbraucher einem Unternehmen angehören. Der Anlagenbetreiber muss eine Erklärung abgeben, dass beide Parteien keinem Unternehmen angehören, und sich verpflichten, etwaige Änderungen der Erklärung sofort dem Netzbetreiber mitzuteilen. Dies muss nur einmal zu Beginn erfolgen.

Die Abschaffung der Prüfpflicht für eine 40-prozentige Wohnnutzung der Gebäude, die Mieterstromzuschläge erhalten, führt zu einer Zeitersparnis für den Betreiber und den Verteilnetzbetreiber.

7. Einführung bürokratiearmes Modell der Gemeinschaftlichen Gebäudeversorgung

Durch die Einführung von § 42b EnWG wird ein neues Modell eingeführt, bei dem der Eigentümer den Strom aus der Solaranlage an seine Mieter abgibt. Dabei stellt er nur den Strom aus der Solaranlage zur Verfügung und ist nicht für die gesamte Stromversorgung verantwortlich. Die Mieter beziehen zusätzlich Strom aus anderen Quellen über separate Verträge.

Die Einführung der Gemeinschaftlichen Gebäudeversorgung ermöglicht eine unkomplizierte Umsetzung eines ähnlichen Modells wie Mieterstrom für Mehrfamilienhäuser. Es wird geschätzt, dass etwa 80.000 Gebäude die Gemeinschaftliche Gebäudeversorgung nutzen können.

Durch den Wegfall der Pflicht zur Reststromversorgung und der Lieferantenpflichten nach dem EnWG werden die Anlagenbetreiber entlastet. Insbesondere entfallen das Vertragsmanagement mit Energieversorgungsunternehmen und die Rechnungslegung sowie Informationspflichten nach den §§ 40, 40b EnWG.

8. Beschleunigte Anmeldung von PV-Anlagen bis 30kW

Solaranlagen bis zu einer installierten Leistung von 30 kW erhalten nun ein beschleunigtes Netzanschlussverfahren, im Vergleich zu bisher 10,8 kW. Wenn der Netzbetreiber nicht innerhalb einer bestimmten Frist auf eine Anfrage zum Anschluss reagiert, kann die Anlage nun einfacher angeschlossen werden.

9. Stärkerer Ausbau von Freiflächen

Das Solarpaket 1 enthält umfassende Regelungen, um einen nachhaltigeren Ausbau von Solaranlagen auf Freiflächen zu ermöglichen. Das Ziel ist es, mehr Flächen für Solarparks zur Verfügung zu stellen, während gleichzeitig landwirtschaftliche und naturschutzfachliche Interessen gewahrt werden. Dabei sollen Flächen mehrfach genutzt werden, die Inanspruchnahme von landwirtschaftlicher Fläche wird begrenzt und strenge Schutzgebiete für den Naturschutz bleiben unberührt.

Es wird ein eigenes Segment für besondere Solaranlagen wie Agri-PV, Floating-Anlagen, Moor- und Parkplatzanlagen in den Ausschreibungen für Solarparks eingeführt. Die Mengen für diese besonderen Solaranlagen sollen schrittweise erhöht werden, ohne die Gesamtmengen der Ausschreibungen zu erhöhen.

Die sogenannten benachteiligten Gebiete der Landwirtschaft werden grundsätzlich für die Förderung von klassischen Solarparks geöffnet, wobei die Länder die Möglichkeit haben, bestimmte landwirtschaftlich genutzte Flächen von der Nutzung auszuschließen.

Die zusätzliche Nutzung von landwirtschaftlich genutzten Flächen für Photovoltaikanlagen wird auf maximal 80 Gigawatt bis 2030 begrenzt. Es wird klargestellt, dass mindestens die Hälfte der PV-Anlagen auf, an oder in Gebäuden oder Lärmschutzwänden installiert werden soll.

Für Agri-PV-Anlagen, die extensiver betrieben werden, gibt es einen Bonus, wenn bestimmte Kriterien zur Extensivierung erfüllt sind, wie beispielsweise der Verzicht auf den Einsatz von Herbiziden.

Ist das Solarpaket 1 bereits verabschiedet und gültig?

Am 16. August 2023 wurde das Solarpaket im Kabinett beschlossen. Es handelt sich um ein wichtiges Gesetzespaket mit zahlreichen Maßnahmen, das die Bürokratie beim Bau und Betrieb von Photovoltaikanlagen reduzieren und den Zubau beschleunigen soll. Dem vorausgegangen ist ein intensiver Austausch mit der Branche im Rahmen eines sogenannten Praxischecks Photovoltaik, um Hemmnisse und bürokratische Hürden zu identifizieren und gezielt abzubauen.

Darüber hinaus werden Flächen für Solarparks naturverträglich und nachhaltig bereitgestellt, um die Interessen der Landwirtschaft und des Naturschutzes zu wahren. Mit dem Gesetzentwurf zum Solarpaket schließen wir zugleich einen Prozess ab, der mit einem ersten PV-Gipfel mit der Branche am 10. März 2023 begonnen und in einer PV-Strategie mündete. Diese wurde auf einem zweiten Solargipfel am 5. Mai 2023 vorgestellt und vom BMWK mit der Branche, den Bundesländern und den Bundestagsfraktionen erarbeitet wurde. Durch den Kabinettsbeschluss zum Solarpaket werden zentrale Maßnahmen der Solarstrategie konkret in Gesetzesform gegossen und umgesetzt.

Ursprünglich sollte das Gesetzespaket bereits zu Jahresbeginn in Kraft treten, wie versprochen. Der Gesetzesentwurf sollte dazu beitragen, bürokratische Hürden beim Ausbau der Photovoltaik deutlich zu reduzieren. Allerdings liegt das Gesetzespaket seit Monaten auf Eis. Der Grund dafür ist die Forderung einiger deutscher Photovoltaikanbieter, einen sogenannten Resilienzbonus einzuführen.

Diese Boni, bei denen Anlagenbetreiber zusätzliche Einspeisevergütungen erhalten sollten, wenn sie europäische Komponenten nutzen, sind äußerst umstritten. Viele Anbieter befürchten Wettbewerbsverzerrungen, einseitige Förderungen, mögliche Monopolstellungen und eine Verlangsamung der Energiewende. Da offensichtlich kein politischer Wille vorhanden war, die zunächst weniger umstrittenen Neuerungen des ursprünglichen Solarpakets unabhängig von der Frage nach einem Resilienzbonus zu verabschieden, mussten alle warten, deren Projekte von den im Solarpaket angestrebten neuen Rahmenbedingungen für die Photovoltaik abhängig sind.

Das Gesetzespaket könnte nun in der Sitzungswoche vom 8. bis 12. April 2024 im Bundestag behandelt werden. Wenn dies gelingt, könnte der Bundesrat in seiner nächsten Sitzung am 26. April darüber abstimmen. Da es für das ursprüngliche Gesetzespaket weitgehend Konsens gab, gibt es für die Politik nun wohl keinen Grund mehr, weiter zu zögern.

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